von Regula Bühlmann
Frauen haben viele Gründe, um zu streiken. Einer davon ist, dass sie in der Schweiz Ende Monat durchschnittlich 41.5% weniger im Portemonnaie haben als die Männer. Die Ökonomin Mascha Madörin hat berechnet, dass den Frauen in der Schweiz wegen dieser Einkommenslücke jährlich über 100 Milliarden Franken entgehen. Das ist dreimal so viel, wie die Schweiz für die Bildung ausgibt, und ein Drittel der Konsumausgaben von Privathaushalten.
Natürlich spielt bei der Einkommenslücke auch eine Rolle, dass Frauen im Durchschnitt pro Arbeitsstunde weniger verdienen als die Männer – dazu mehr im nächsten Newsletter. Aber eine noch grössere Rolle spielt, dass Frauen viel häufiger als Männer gratis arbeiten. Die sogenannte Care-Arbeit – die Kinderbetreuung, die Krankenpflege, der Haushalt, die Begleitung von alten Menschen – gilt nach wie vor als Frauensache. Viele Männer fühlen sich einfach nicht zuständig – oder ihre Arbeitgeber lassen sie nicht Teilzeit arbeiten, damit sie sich mehr um ihre Mitmenschen und den Haushalt kümmern könnten. Also übernehmen die Frauen: Einen Teil davon als Care-Migrantinnen und 24-Stunden-Betreuerinnen in schlecht bezahlten, prekären Anstellungsverhältnissen, den grossen Rest als Partnerinnen, Ehefrauen, Mütter oder Schwiegertöchter unentgeltlich. In beiden Fällen geschieht dies zulasten ihrer finanziellen Sicherheit und wirtschaftlichen Unabhängigkeit. Diese «Gratisarbeit» ist eigentlich eine Steuer, die vor allem Frauen zahlen, ohne dass sie eine Gegenleistung erwarten dürfen: 2016 leisteten Frauen gemäss Bundesamt für Statistik unbezahlte Arbeit im Wert von 250 Milliarden Franken – die Männer im Wert von 160 Milliarden Franken – , ohne die die Gesellschaft nicht funktionieren, ja nicht einmal überleben würde.
So sind zum Beispiel Kinder zentral für das Überleben der Gesellschaft – und gleichzeitig ein Katalysator für die Einkommenslücke zwischen den Geschlechtern: Ein Forschungsteam um Henrik Kleven hat aufgezeigt, dass die Frauen in Dänemark ab der Familiengründung beim Lohn eine Mutterschaftsstrafe von gut einem Fünftel in Kauf nehmen müssen, während sie bis dahin – anders als in der Schweiz – fast gleich viel verdienen wie die Männer. Zwei Drittel dieser Mutterschaftsstrafe sind Einkommensausfällen durch ein tiefes Arbeitspensum oder totalen Verzicht auf Erwerbsarbeit geschuldet. Dieser Befund ist wenig überraschend und gilt ähnlich auch für die Schweiz, wie Lukas Tschan in einer Seminararbeit aufzeigt. Aber es wird deshalb nicht gerechter, dass Frauen für die Familienarbeit die ganzen Einkommenseinbussen und damit nach der Pensionierung auch viel tiefere Renten auf sich nehmen, während Väter sogar mehr gegen Bezahlung arbeiten und entsprechend mehr verdienen als kinderlose Männer.
Deshalb wollen wir, dass die öffentliche Hand in qualitativ gute, bezahlbare Care-Angebote mit fairen Arbeitsbedingungen und Löhnen investiert, damit Frauen weniger Gratisarbeit leisten müssen. Wir wollen einen Vaterschaftsurlaub, Elternzeit und Betreuungsurlaube, damit Männer mehr Verantwortung für die Care-Arbeit übernehmen. Und wir wollen eine Reduktion der Erwerbsarbeitszeit für alle, damit wir mehr Zeit für uns selber und unsere Mitmenschen haben. Dafür streiken wir am 14. Juni!