Streiken lohnt sich.
Ein Blick in die Geschichte der Streiks.
Der Frauenstreik vom 14. Juni 1991
Zehn Jahre nachdem die Gleichstellung in der Bundesverfassung verankert wurde, gingen hunderttausende Frauen in der ganzen Schweiz auf die Strassen. Der Auslöser waren Proteste von Uhrenarbeiterinnen der Vallée de Joux gegen die ungleichen Löhne in ihrer Branche. Unter dem Motto «Wenn Frau will, steht alles still» protestierten Frauen gegen die trotz Verfassungsartikel anhaltende Ungleichheiten in allen Bereichen der Gesellschaft. In der ganzen Schweiz kam es zu Arbeitsniederlegungen und Aktionen. Dokumente und Erzählungen von diesem Tag bekunden den Einfallsreichtum, mit dem die Frauen ihren Forderungen Gehör schafften. Bewirkt hat der Frauenstreik von 1991 vieles, direkt oder indirekt. Ihm werden, unter anderem, die Wahl von Ruth Dreifuss in den Bundesrat 1993, das Inkrafttreten des Gleichstellungsgesetz 1996, und die Mutterschaftsversicherung die seit 2004 jeder erwerbstätigen Frau zusteht.
Wäscherinnen-Streik in Atlanta 1881
In 1881, weniger als zwanzig Jahre nach Ende der Sklaverei, verweigerten tausende Wäscherinnen in Atlanta ihre Arbeit und forderten einen einheitlichen Lohn. Ehemalige Sklavinnen und Sklaven, die von den Plantagen in die Städte zogen, fanden vor allem als Haushaltshilfen Arbeit. Der Lohn für das Waschen war Verhandlungssache zwischen einer Wäscherin und ihren Kunden. Oft sahen sich die Wäscherinnen gezwungen, Löhne zu akzeptieren, die nicht zum Leben reichten. Zudem hingen sie bei der tatsächlichen Bezahlung von der Willkür ihrer Arbeitgeber ab. Doch die Wäscherinnen organisierten sich. 1881 gründeten sie die Washing Society und riefen ihre Mitglieder zum Streik auf. Innerhalb von drei Wochen wuchs die Zahl der Streikenden von 20 auf 3000. Als der Wäscherinnenstreik am Vorabend einer grossen internationalen Messe drohte, zu einem Generalstreik aller Hausangestellten zu werden, wurden die Forderungen der Wäscherinnen erfüllt.
Streik der Reinigungskräfte von Orgapropre in Genf - 2019
Die Reinigungsbranche ist gekennzeichnet durch niedrige Löhne, verbreitete Teilzeitarbeit mit kleinen Pensen und miserable Renten. Symptomatisch für die die so genannte «feminisierte Arbeit» ist die Unsichtbarkeit der geleisteten Arbeit und der Arbeiterinnen. Das verstärkt die unsicheren Verhältnisse noch weiter. In dieser ohnehin schon prekären Situation bringt die Massenentlassung von 37 Mitarbeitenden, vor allem Frauen, durch die Firma Orgapropre die Betroffenen in eine unhaltbare Situation. Es gab keinen Sozialplan. Und ihnen wurde die Möglichkeit verwehrt, wieder eingestellt zu werden, um die gleichen Räumlichkeiten der Union bancaire privée zu reinigen. Die Reinigungskräfte weigerten sich, diese unsozialen Zumutungen zu akzeptieren und streikten. Elf Tage lang hielten sie mit Unterstützung der Genfer Gewerkschaft SIT Streikposten ab, um ihre Rechte einzufordern. Der Mut und die Ausdauer dieser Frauen brachten ihnen nicht nur eine Abfindung und Vermittlung in Arbeit – ihr Streik machte auch die prekären Arbeitsbedingungen sichtbar, zu denen viele Frauen gezwungen werden.
Der erste Frauenstreik in Kolumbien - 1920
Am 12. Februar 1920, in der Nähe von Medellin (Kolumbien), streikten über 400 Textilarbeiterinnen, um gegen ihre Arbeitsbedingungen zu protestieren, die für den industriellen Manchester-Kapitalismus des 19. Jahrhunderts typisch waren. Sie fordern eine Erhöhung ihrer Gehälter, die bis dahin viel niedriger waren als die der Männer und den 10-Stunden-Arbeitstag. Zudem kämpften sie für das Ende eines Systems von Bussen, die ihnen aus unterschiedlichsten Gründen auferlegt wurden, sei es durch eine Verspätung von wenigen Minuten oder durch die Ablehnung sexueller Annäherungsversuche ihrer Vorgesetzten. Am 4. März, nach mehr als zwanzig Tagen völligem Stillstand, erfüllte der Fabrikbesitzer die Forderungen der Streikenden. Das Beispiel der siegreichen Arbeiterinnen war Anstoss für weitere Proteste von Arbeiterinnen und Arbeitern im ganzen Land.