von Siméon Seiler
Der Frauen*streik steht schon fast vor der Tür! Ein paar Wochen vorher, am 1. Mai nutzen wir schon einmal die Gelegenheit und versammeln unsere Kräfte unter dem Slogan «Mehr zum Leben».
Der 1. Mai, der Tag der Arbeit, ist ein traditioneller Höhepunkt des Gewerkschaftsjahres. Bereits im vergangenen Jahr stand er unter einem feministischen Thema, der Lohngleichheit. Vielerorts haben dann auch Frauen*blöcke die Umzüge angeführt!
Am 22. September haben wir mit einer Grosskundgebung in Bern nachgedoppelt. Das bürgerlich geprägte Parlament hat sich davon aber wenig beeindrucken lassen und bei der Revision des Gleichstellungsgesetzes nur minimale Verbesserungen verabschiedet. Jetzt machen wir erst recht Druck! Das ist einer der vielen Gründe, warum am 14. Juni der zweite schweizweite Frauen*streik stattfindet.
Die Lohngleichheit ist sicher eine wichtige Forderung. Für ihre tatsächliche Umsetzung muss sie aber im Gesamtkontext gesehen werden. Denn es geht um viel mehr, als die Lohngleichheit. Der Slogan für den diesjährigen 1. Mai «Mehr zum Leben» trifft es ganz gut:
Wir wollen mehr zum Leben, mehr Lohn, mehr Zeit, mehr Respekt, mehr Gleichstellung!
Mehr Lohn für gleichwertige Arbeit, der uns ganz einfach zusteht! «Gschämig» eigentlich, dass dies keine Selbstverständlichkeit ist!
Mehr Zeit für uns, also kürzere Arbeitszeit für alle, beispielsweise um uns für unsere Anliegen einsetzen zu können!
Mehr Respekt für unsere Arbeit, egal ob bezahlt oder unbezahlt, mehr Respekt für unsere Ideen, mehr Respekt vor unseren Körper!
Mehr Gleichstellung – nicht später!
Mehr Gleichstellung bedeutet auch, dieses System, in dem wir leben, zu hinterfragen. An der nationalen Versammlung zum Frauen*streik vom 10. März in Biel haben wir geschrieben «Wir wollen eine gesellschaftliche Debatte lancieren über dieses kapitalistische Wirtschaftssystem, von dem nur eine Minderheit profitiert, während die Mehrheit der Weltbevölkerung, insbesondere Frauen*, ausgebeutet wird, in Armut lebt und das Klima gefährdet ist». Wir wollen nicht mehr vom gleichen Kuchen, wir wollen einen komplett neuen Kuchen!
Unter einem Arbeiter stellen wir uns gemeinhin einen Mann vor, einen mit Grubenhelm und Spitzhacke vielleicht. Doch wenn wir die unbezahlte Arbeit miteinbeziehen, so sind weltweit die Arbeiterinnen in der Überzahl.
Darum ist der 1. Mai, der Tag der Arbeit, vor allem auch der Tag der Arbeiterinnen! Darum werden wir am 1. Mai in der ganzen Schweiz an die Kundgebungengehen, bewaffnet mit einer Frauenstreik*fahne, Buttons, einem T-Shirt oder was wir sonst in violett finden. Und aus dem Gemeinschaftsgefühl schöpfen wir Kraft für die letzten paar Wochen vor dem grossen Frauen*streik am 14. Juni 2019.
PS: Menschen in unserem Umfeld, die meinen, feministische Anliegen würden sie nicht wirklich betreffen, können wir etwa noch folgendes entgegenhalten: Wir sind solidarisch, nicht weil wir ein bisschen mit feministischen Anliegen sympathisieren. Nicht, weil wir vielleicht mit unseren Müttern, Schwestern, Töchtern mitfühlen. Sondern weil es erstens das Richtige ist, sich immer für diskriminierte und marginalisierte Gruppen einzusetzen. Und zweitens, weil feministische Anliegen «mehr zum Leben» für alle bringen!