von Gabriela Medici
Frauen haben viele Gründe, um zu streiken. Einer davon ist, dass die Gleichstellung der Frauen auch am Ende ihrer Erwerbskarriere weiterhin nicht garantiert ist. Über 40 Jahre nach Einführung des Drei-Säulen-Prinzips zur Sicherung des Lebensstandards im Alter erhalten sie immer noch deutlich tiefere Renten als Männer.
Viele Frauen beenden ihre Erwerbsarbeit, bevor sie das Pensionierungsalter 64 erreicht haben. Sechs Jahre vor dem Rentenalter sind noch drei Viertel der Frauen erwerbstätig oder auf Arbeitssuche. Mit 63 Jahren sind es nur noch 46.2 Prozent. Die allermeisten in einer Teilzeitanstellung. Wieso? Weil viele Frauen gesundheitlich nicht mehr der in der Lage sind, zu arbeiten. Körperlich und psychisch belastende Arbeitsbedingungen können auf die Dauer an die Substanz gehen. Ältere Frauen verlassen den Arbeitsmarkt aber nicht nur, weil sie selbst krank sind. Sondern auch, um kranke und pflegebedürftige Angehörige zu pflegen. Wenn die Eltern, die Schwiegereltern oder der Partner pflegebedürftig werden, ist es für viele Frauen immer noch selbstverständlich, ihre bezahlte Arbeit zu beenden oder einzuschränken, um unbezahlte Pflege- und Betreuungsarbeit zu übernehmen. Viele Grossmütter übernehmen auch die Betreuung ihrer Enkelkinder und leisten so einen wichtigen Beitrag zur Vereinbarung von Familie und Arbeit der jüngeren Frauen. 2012 betreute jede sechste Frau zwischen 55 und 64 Jahren regelmässig Kinder, die nicht im gleichen Haushalt leben. Grossmütter komplettieren das unzureichende Angebot an externen Betreuungsmöglichkeiten und können eine grosse Hilfe sein für Eltern mit unregelmässigen Arbeitszeiten oder wenn spontan eine Betreuungslücke gefüllt werden muss, weil z.B. jemand krank geworden ist.
Dieses Engagement der Frauen für die Haus- Erziehungs-, Pflege- und Betreuungsarbeit wird in unserem System der Altersvorsorge nicht genügend anerkannt. Denn eine genügende Absicherung im Alter garantiert die auf drei Säulen basierende Altersvorsorgesystem nur, wenn fortwährend und in hinreichendem Umfang Sozialversicherungsbeiträge geleistet wurden.
Auch heute müssen die meisten Frauen im Alter auf die Rente aus der AHV setzen. Quasi alle Frauen erhalten eine AHV-Rente. Dank Erziehungs- und Betreuungsgutschriften, Ehegattensplitting sowie der Rentenformel sind die AHV-Renten der Frauen ähnlich hoch wie jene der Männer. Die AHV schafft so als einzige Sozialversicherung einen Ausgleich für die ungleiche Verteilung der unbezahlten Pflege- und Betreuungsarbeit zwischen Frauen und Männern. Das Problem der AHV: Mit den heutigen AHV-Altersrentenansätzen alleine ist die Existenz im Alter nur ungenügend gesichert.
Doch die berufliche Vorsorge hilft der Mehrheit der Frauen nicht weiter: Ein Drittel der pensionierten Frauen erhalten im Alter weder Rente noch Kapital aus der zweiten Säule. Und jene Frauen, die zwar über ein Pensionskassenanschluss verfügen, erhalten nur halb so hohe Renten wie die Männer. Eine neu ausbezahlte Altersrente aus der beruflichen Vorsorge betrug im Jahr 2017 für Frauen 1221 Franken, für Männer 2301 Franken.
Für die Frauen nimmt die AHV einen weitaus wichtigeren Stellenwert bei der Altersabsicherung ein. Deshalb ist es für uns klar: Anstatt das Rentenalter der Frauen anzugreifen, müssen endlich die AHV-Renten erhöht werden. Dafür streiken wir am 14. Juni!
Die Gleichstellung der Frauen ist im heutigen Sozialstaat wichtig und muss berücksichtig werden, sowohl bei der Auszahlung eines Lohnes, als auch der Ausübung der Rechte.
Die von Ihnen genannte Gründe, warum die AHV-Renten für Frauen erhöht werden müssen, sind jedoch aufgrund der fehlenden Plausibilität nicht begreiflich. Mit der Argumentation, dass Frauen im Alter oft «Körperlich und psychisch» aufgrund der zusätzlichen Belastung von Fürsorge von Ehemann und Schwiegereltern eingeschränkt sind.
Wenn ich an einen Strassenbauer denke, der sein ganzes Leben auf dem Bau verbracht hat, dann denke ich an einen Mann, der mit 65 Jahren körperlich am Ende ist. Dieser Mann hat dann auch bis zum regulären Rentenalter gearbeitet und verdient deshalb auch eine höhere AHV, nicht zuletzt, weil er auch länger arbeitet als Frauen.
Mathematisch ganz einfach: wer am Tag 8h arbeitet und pro Stunde Fr. 30.- erhält, der bekommt am Ende des Tages Fr. 240.-. Wer jedoch nur 7h arbeitet hat halt nur Fr. 210.-.
Warum soll also jemand gleichviel verdienen, für etwas, das sie oder er nicht gearbeitet hat.
Gleichberechtigung ja. Wer gleiches tut, soll gleiches erhalten.
Vielen Dank für Ihre Nachricht. Wahrscheinlich sind unsere Standpunkte gar nicht allzu weit voneinander entfernt. Der Newsletter zeigt auf, dass
1. auch sog. typische Frauenberufe körperlich äusserst hart & anstrengend sein können. Zum Beispiel die Pflege in Altersheimen oder auch die Reinigung ist physisch sehr fordernd. Ähnlich wie die von Ihnen erwähnten Bauarbeiter ist es Frauen in diesen Berufen rein körperlich nur selten möglich, bis zum Rentenalter voll zu arbeiten. Bei den Bauarbeitern ist diese Tatsache aber gesellschaftlich weit anerkannter. Auch gibt es für diese weit häufiger Frühpensionierungslösungen.
2. Wenn Frauen ihre bezahlte Erwerbstätigkeit aufgeben, steht zuhause meist eine zweite Schicht an. Weil sie die Betreuung der Eltern, Schwiegereltern, Partnern und Enkelkinder übernehmen. Diese Arbeit wird unbezahlt geleistet. Sie führt in unserem Rentensystem aber zu einer schlechteren Rente, weil sie vor allem in der 2. Säule nicht anerkannt wird. In der AHV werden solche Arbeiten berücksichtigt, deshalb ist sie gerechter. Die 2. Säule ist für Frauen voller Stolpersteine, das zeigt sich in dem massiv kleineren PK-Renten von Frauen im Vergleich zu jenen der Männer.
3. Die AHV-Rente reicht nicht zum Leben – obwohl sie dies laut Verfassung tun müsste. Wir fordern deshalb einen Ausbau der AHV für alle – auch die Männer. Dieser Ausbau wäre aber vor allem für die Frauen von grosser Bedeutung. Damit sie nach einem langen Erwerbsleben nicht auf Ergänzungsleistungen angewiesen sind, um über die Runden zu kommen.
4. Diesen Ausbau der AHV braucht es, ohne das Rentenalter anzupassen. Dass um ein Jahr tiefere Frauenrentenalter kompensiert so die von Frauen lebenslang erlebten Ungleichheiten zumindest ein bisschen.
Liebe Diskutierende, ich finde die Ausführungen zur AHV sehr detailliert und gut, allerdings empfinde ich es als «gefährlich» solch einen Schuss zu setzen «…um ein Jahr tiefere Frauenrentenalter kompensiert so die von Frauen lebenslang erlebten Ungleichheiten zumindest ein bisschen».
Ich zumindest möchte nicht Bienen, weil ich keine Äpfel kriegen kann. Die erlebten Ungleichheiten müssen bekämpft werden und nicht über so eine Rentenpauschale ausgeglichen, nicht?
Ich sehe den Zusammenhang zwischen einer gesetzlichen Diskriminierung und einer gesellschaftlichen Ungerechtigkeit nicht. Das eine kompensiert nicht das andere. Es ist nicht fair, alle Männer für einen Teil der Frauen schuften zu lassen, welche sich aus eigenem Willen einer solchen Aufgabe angenommen haben. Ich respektiere die Arbeit dieser Frauen, jedoch heisst «gesetzliche Gleichstellung» für mich, dass auch Frauen bis 65 arbeiten. Gegen das gesellschaftliche Ungleichgewicht kann gerne demonstriert werden, jedoch kann der Druck nicht vom Staat kommen.